Schlank bis in den neunten Monat?

Wiederholte Diäten und Gewichtsverluste sowie übermäßige Beschäftigung mit Figur und Gewicht stellen nicht nur Risikofaktoren, sondern auch Vorläufer für klinische Störungen dar. Aber was passiert mit dem eigenen Figur-Empfinden, wenn Frauen heutzutage Mütter werden?

Eine gute Figur wird heute oft als Statussymbol gesehen. Was nicht passt, wird mit einem Filter passend gemacht. Man is(s)t paleo, low-carb, high-proteine, vegan oder pescetarisch. Und auf Google tummeln sich mehr Ernährungsweisen, als es Länder auf die eigene Bucket List geschafft haben. Da ist es naheliegend, dass das unsere Vorstellungen vom eigenen Körperbild, von den eigenen Schönheitsidealen und einer „gesunden“ Ernährung prägt. Wiederholte Diäten und Gewichtsverluste sowie übermäßige Beschäftigung mit Figur und Gewicht stellen dabei nicht nur Risikofaktoren, sondern auch Vorläufer für klinische Störungen dar.

Aber was passiert mit dem eigenen Figur-Empfinden, wenn Frauen heutzutage Mütter werden? Wann ist Frau schön schwanger und wann ganz schön schwanger? Suchen wir die Antwort online, finden wir Folgendes: Eine werdende Mutter, die auf ihre Figur achtet, sich nicht gehen lässt und auf ihre Ernährung achtet - die ist schön. Und am besten verlässt sie, wie Herzogin Kate, perfekt gestylt sieben Stunden nach der Entbindung das Krankenhaus. Selbst während und kurz nach der Schwangerschaft scheint Attraktivität mit niedrigem Gewicht einherzugehen.

 

Fatale Kombination. Der Schlankheitswahn während der Schwangerschaft ist somit ein sehr aktuelles Thema - ersten Schätzungen zufolge sind weltweit etwa 5 Prozent aller Frauen von Pregorexie betroffen. Der Begriff Pregorexie ist eine Zusammensetzung aus den Begriffen „pregnant“ (schwanger) und „anorexia“ (Magersucht) und beschreibt das Phänomen, die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft durch extreme Diät und Überbelastung zu kontrollieren. Pregorexie bezeichnet somit das Zusammenfallen von Magersucht und Schwangerschaft.

Der überwiegende Anteil von Essstörungen (Magersucht und Bulimie) wird vor dem Alter von 25 Jahren diagnostiziert. In Österreich fehlen für das gesamte Bundesgebiet repräsentative Daten über die Häufigkeit von Essstörungen. In Deutschland sind etwa 0,5 – 1 % aller Frauen einmal im Leben von einer Magersucht betroffen und etwa 1 – 1,5 % von einer Bulimie. Vor allem unbehandelte Essstörungen können einen langwierigen Verlauf haben und Symptome, trotz Unauffälligkeit im Erscheinungsbild, weiterhin vorhanden sein.

 

Fachliche Hilfe suchen. Ein „unkontrolliert“ wachsender Bauch mit allen weiteren Veränderungen in der äußerlichen Erscheinung kann bei manchen Frauen kritische Gefühle auslösen. Wenn die werdende Mutter schon mal Schwierigkeiten hatte, regelmäßig und ausreichend zu essen, könnten die körperlichen Veränderungen rund um die Schwangerschaft als sehr belastend erlebt werden. Oder die frisch gebackene Mama sorgt sich, nach der Entbindung die Babykilos nicht schnell genug loszuwerden und träumt von einem „instagrammable“ After-Baby-Body. Dabei ist die erste Zeit mit dem Neugeborenen auch ohne gesellschaftlichen Druck schon Herausforderung genug. Ein Hinschauen und fachliche Hilfe kann im Falle einer wiederauflebenden Essstörung für Mama und Kind erhebliche Erleichterung und Entlastung bringen, eine psychotherapeutische Begleitung wird in jedem Fall empfohlen.

 

Sind Sie betroffen oder kennen Sie betroffenen Frauen? Erste Hilfe finden Sie beim Frauengesundheitszentrum Salzburg unter Tel. 0662 442255 oder bei der Babyhotline (Schwangere in Not) unter Tel. 0800 / 539 935.

MSc Leonie Lorraine Aap

Die Psychologin Leonie Aap M.Sc. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Early Life Care und Doktorandin der Medizinischen Wissenschaften an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg.