Starker Mann. Oder doch nicht?

Der niedergelassene Allgemeinmediziner Dr. Johannes Ebmer erklärt, warum Männer gerade durch ihre erfolgsbringenden Mechanismen in die Krise schlittern können.

Ein Mann in seinen besten Jahren: zwischen 40 und 50 Jahre alt, erfolgreich in Familie und Beruf, stark und selbstständig. Und dann plötzlich Burnout. Keine Lust, keine Kraft, keine Motivation. Selbst die kleinste Entscheidung wird zur übergroßen Anstrengung. 

Plötzlich schwach. Klassischerweise reden wir von Männergesundheit im Zusammenhang mit den Schlagworten: Urologie, Prostata, Herzinfarkt, Schlaganfall. Heute jedoch möchte ich mich auf eine Beobachtung aus meiner Praxis konzentrieren. Nämlich auf das Auftreten von chronischer Belastung und drohendem Burnout bei Männern zwischen dem dritten und fünften Lebensjahrzehnt. 

In den sechs Jahren als Hausarzt in meiner Ordination in Eugendorf fällt mir auf, dass es gerade die sehr leistungsfähigen und selbstmotivierten Männer sind, die sich in einer chronischen Belastungssituation bzw. einem Burnout-Syndrom wiederfinden. Das mag auf den ersten Blick überraschen. Bei genauerem Betrachten erkennt man aber, dass genau jene Mechanismen, die zu Erfolg in Familie und Beruf führen, auch zu einer Überlastung prädestinieren. 

Handicap-Reigen. Dabei beobachte ich einen Ressourcenverlust, eine Einschränkung der Perspektiven, eine stärkere Anfälligkeit für physische Schwächen sowie Infekte und Schlafstörungen. Und letztlich eine Tendenz zum Sinnverlust. Dabei ist die Situation vergleichbar mit einem Übertraining im Sport: es findet zu wenig Regeneration statt, Trainingsreize können nicht mehr umgesetzt werden, es findet ein Rückschritt statt bis zur völligen Leere. 

Meine Funktion ist das Hinweisen, Früherkennen und Entlasten. Unser System bietet dabei viele Möglichkeiten, wie zum Beispiel eine von der Krankenkasse zur Verfügung gestellte Gesprächstherapie und ein Coaching. Jedoch suchen viele der Betroffenen erst sehr spät Hilfe. Im Grunde genommen geht es darum, wieder zur Substanz des eigenen Lebens zurückzufinden, und belastende Gefühle sowie Einflüsse von außen –  wie Verlust- bzw. Versagensängste, Leistungsdruck, von außen gesteckte Ziele etc. – fallenzulassen. 

Stop! Und reset! Apropos "Fallenlassen": Ich beobachte bei diesen Patienten, dass gerade jene Mechanismen, die sie zum Erfolg im Beruf und Alltag geführt haben, beim Loslassen nicht funktionieren. Es klappt meist nicht, sich mit derselben Zielstrebigkeit aus dem Seelentief herauszuholen: den Ehrgeiz fallenzulassen und sich einfach selbst mal fallenzulassen. Ein entscheidendes Entgegenwirken in einer solchen Situation erfordert dann vor allem eines: Zeit. Geduld. Ein lebendiges und unterstützendes soziales Netzwerk. 

Abschließend möchte ich noch anführen, dass Frauen von dieser Belastung im selben Maße betroffen sind. Wie jedoch Studien über Depression zeigen, neigen jene allerdings dazu, früher Hilfe zu suchen. 

Also liebe Männer: Besucht früh genug Euren Hausarzt und nutzt die Chance zu einer Früherkennung und erfolgreichen Prävention.

Dr. Johannes Ebmer

Dr. Johannes Ebmer ist niedergelassener Allgemeinmediziner in Eugendorf bei Salzburg sowie Lehrarzt und Anatomie-Lehrender an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg.